Seit meinem Besuch von Budapest und Kiew im Sommer 2017 bin ich unglaublich beeindruckt davon, wie Städte KünstlerInnen Möglichkeiten schaffen, um sich auszudrücken und gleichzeitig das teils triste Stadtbild zu verschönern. Bei dem Gedanken an Städte mit einer pulsierenden Straßenkunstszene fällt einem zum Beispiel Berlin ein, aber an Lyon hätte ich nicht Gedacht. Doch tatsächlich finden sich hier hier über die ganze Stadt verteilt zahlreiche bemalte Häuserfassaden und viele moderne StraßenkünstlerInnen verewigen sich mit ihrer Kunst an Laternenmasten, Fassaden, Straßenschildern etc. Da wir nur ein Wochenende in Lyon verbracht haben, konnten wir natürlich nicht ihre Straßenkunstszene in Gänze erkunden. Wir geben euch hier aber schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was es in Lyon künstlerisch zu entdecken gibt.
Während die Wandmalerien (murals) in Budapest und Kiew von den jeweiligen KünstlerInnen zum Großteil dafür genutzt wurden, gesellschafts-politische Botschaften zu verschlüsseln, entstand in Lyon ab Ende der 1970er Jahre eine besondere Form der Wandbilder - die Trompe L'Œil. Diese Bezeichnung bedeutet so viel wie 'täusche das Auge' (aus dem Französischen 'tromper' = 'täuschen'; 'l’oeil' = 'das Auge'). Damit ist gemeint, dass die Wandbilder in Lyon einen Illusionscharakter haben - ähnlich wie er auch schon in der Kunst der Antike und im Barock angewandt wurde. Die Wandbilder sind teils so naturalistisch, dass es einem auf den ersten Blick schwer fällt zu unterscheiden, was tatsächliche Gebäude oder Gebäudeteile sind und was lediglich aufgemalt wurde. Zum Teil sieht man aus der Ferne Gebäude mit Fenstern und Personen, die aus diesen herausschauen und stellt erst wenn man davor steht fest, dass dies lediglich Malereien sind.
1978 entstand die Künstlergruppe Cité Creation in Lyon, die mittlerweile nicht nur in ihrer Heimatstadt sondern weltweit Wandbilder riesigen Ausmaßes erstellt - insgesamt über 600 Stück. weltweit. In Lyon sind durch diese KünstlerInnen jedenfalls über die Jahre zahlreiche graue Häuserfassaden gewichen und stattdessen mit Gemälden ersetzt wurden, die sich täuschend echt in das Stadtbild eingliedern.
Es gibt in Lyon zahlreiche Wandbilder. Hier zeigen wir euch drei murals, die wir gesehen haben.
Lage: 40 Boulevard des Canuts (Viertel Croix-Rousse)
Dieses Wandbild ist über 1200 m² groß und somit das größte Wandbild Europas. Es liegt direkt im ehemaligen Arbeiterviertel Croix-Rousse. Dorthin kann man von der Innenstadt Lyons entweder laufen - es geht stets bergauf und kann daher anstrengend werden - oder mit der Metro C vom Hôtel de Ville bis zur Haltestelle Henon fahren. Die Haltestelle Henon selbst ist auch bunt bemalt und zählt zu den "art metros" in Lyon. Das besondere an der Metro ist außerdem, dass sie eine unterirdische Zahnradbahn ist, die den steilen Weg in das Viertel Croix-Rousse fährt. Auf dem Rückweg bietet es sich an durch die hübschen Straßen (z. B. Passage Thiaffait, Rue Leynaud, Rue Romarin, Rue des Capucins) von Croix-Rousse wieder nach unten in die Innenstadt zu schlendern. Nur wenige Schritte von der Haltestelle Henon entfernt, liegt das Wandbild "Le mur des canuts" entfernt.
1987 entstand dieses mural und bestand genauso wie heute aus Häusern, Läden, langen Treppen, Hinterhöfen und Gassen - all das, was die Identität dieses Viertels wiederspiegeln sollte. Die erste "Renovierung" des Wandbildes fand 1997 statt, die zweite 2013. Dabei blieb die ursprüngliche Komposition erhalten, das Bild wurde aber an die jeweils momentanen Gegebenheiten angepasst. Es wurden unter anderem neue Läden eingefügt, die Charaktere wurden älter gemalt (schließlich sind sie ja um 10 (1. Renovierung) und 15 Jahre (2. Renovierung) gealtert) und neue Familien wurden hinzugefügt.
Wenn man Spaß daran hat, kann man Fotos von sich und dem mural machen, indem man selbst Teil des Wandbildes wird und zum Beispiel den schwarzen Hund vorne links streichelt oder Geld vom angemalten Bankautomaten abhebt.
Lage: Ecke Quai de la pêcherie / Rue de la Platière
Diese 400 m² große Wand zeigt eine riesige Bibliothek, in der mehrere hundert AutorInnen verschiedener Genres (z. B. Roman, Poesie, Drama, Science-Fiction, Krimis, Comics) aufgeführt sind. All diese AutorInnen sind in Lyon oder der Region Rhône-Alpes geboren oder haben dort gearbeitet. Man findet unter anderem Auszüge aus Schriften von Louise Labé, Frédéric Dard, Jean Reverzy, Louis Calaferte, dem Dichter Roger Kowalski usw. In das Erdgeschoss wurden außerdem mehrere Buchläden bzw. Bibliotheken gemalt, auch ein Postbote ist bei seiner täglichen Arbeit zu sehen. Realisiert wurde dieses Wandbild 1998 von Cité Creation.
Lage: Ecke Quai St-Antoine / Rue de la Martinière
Dieses 800 m² große Wandbild liegt direkt an der Saône. Die Brücke Passerelle Saint Vincent führt aus der Altstadt (Vieux Lyon) direkt zum Quai St-Antoine im 1. Bezirk von Lyon, wo das Wandbild zu finden ist. Gemäß dem Titel "La fresque des Lyonnais" sind auf diesem Bild von 1994/1995 die berühmtesten EinwohnerInnen Lyons verewigt. Es stellt dabei 25 historische Persönlichkeiten dar als auch 6 Personen, die zur damaligen Zeit noch gelebt haben.
Vielleicht findet ihr ja die folgenden Berühmtheiten auf der Häuserfassade, wenn ihr davor steht: Der kleine Prinz und Antoine de Saint-Exupéry (Schriftsteller), Paul Bocuse (Koch), Abbé Pierre (katholischer Priester), Bertrand Tavernier (Regisseur) oder Tony Garnier (Architekt).
Für die Hauptfassade habe ich euch einmal die Namen der berühmten Persönlichkeiten auf dem Foto eingetragen - die ein oder andere Person kennt man vielleicht auch, wenn man nicht aus Lyon kommt. Die Brüder Lumière zum Beispiel sind mit ihren Entwicklungen quasi die Erfinder des Kinos und Laurent Mourguet war ein berühmter Puppenspieler und Erfinder der Puppe Guignol, die auch heute noch ein Markenzeichen von Lyon ist.
Direkt neben dem Wandbild "La fresque des Lyonnais" befindet sich ein Gebäude auf dem die Fenster (samt Schatten und Lichtreflexionen) und die Personen, die aus dem Fenster schauen, so echt aufgemalt sind, dass einen die Trompe-l'oeil-Effekte wirklich täuschen könnten.
Nach dem Besuch des Wandbildes "Le mur des canuts" im Viertel Croix-Rousse wollten wir eigentlich nur entspannt die Montée de la Grande-Côte entlang nach unten zurück zur Innenstadt schlendern. Auf dieser Straße befinden sich zahlreiche kleine Cafes und individuelle Läden. Außerdem ist der Blick steil nach unten auf die farbig gestrichenen Häuser dieser Straße wirklich sehr schön. Wen soll es also wundern, dass wir auf dieser Straße - ohne das wir es geplant oder gewusst hätten - auf zahlreiche Hinterlassenschaften von StraßenkünstlerInnen getroffen sind.
Besonders gefallen hat mir die Kunst von Kesa, die aus alten Schallplatten Tiere und andere Wesen herausschneidet. Einen Artikel aus einem Online-Magazin zu ihrer Kunst könnt ihr hier nachlesen. Auf unserem Spaziergang sind wir außerdem auf die Pixel-Art von In the Woup oder die Puzzleteile von Bea Pyl gestoßen. Viele dieser Werke befinden sich direkt neben Straßenschildern, also ein wenig über Augenhöhe. Es lohnt sich also bei einem Spaziergang durch Lyon die Augen auf zu halten - zu entdecken gibt es immer etwas.
Weitere Anregungen für Street Art in Croix-Rousse findet ihr auf dem Blog Happy curio. Hier wird euch auch eine Route vorgeschlagen, die ihr ablaufen könnt, um verschiedene Kunstwerke zu entdecken. Der Blog ist zwar auf Französisch, aber selbst ohne Französischekenntnisse sollte das Aufsuchen der Street Art kein Problem sein, da jeweils der Platz oder die Straße angegeben ist. Viel Spaß beim Entdecken!
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