Im Herbst 2015 haben wir uns in Peru auf ein Trekking begeben, das uns bis jetzt zutiefst beeindruckt hat: 8 Tage lang ging es von Cachora zu einer einsamen und riesigen Inkastätte namens Choquequirao und dann weiter zum weltberühmten Machu Picchu. Unsere Eindrücke auf dem Trekking haben wir hier für euch festgehalten. In diesem Beitrag geht es um unsere Gedanken bezüglich des Massentourismus auf Machu Picchu und den Plänen Perus Choquequirao in den nächsten Jahren touristisch zugänglicher zu machen.
Der Weg nach Choquequirao in Peru war bis dahin eine der eindrücklichsten Erfahrungen, die wir je gemacht haben: Choquequirao ist einzig und allein zu Fuß zu erreichen. 2 bis 3 Tage braucht man von Cachora bis zu den Ruinen und dieselbe Zeit wieder für den Rückweg (jeweils ca. 32 km hin und 32 km wieder zurück). Von Choquequirao aus ist es aber auch möglich in 3 bis 4 Tagen direkt zu Machu Picchu zu wandern - wofür wir uns entschieden haben. Pferde oder Esel können einen bei teils sehr steilen und gerölligen Wegen nicht tragen – daher ist einiges an Ausdauer angesagt. Als wir uns im September 2015 auf den Weg zu den Ruinen von Choquequirao gemacht haben, hat tagsüber die Sonne heiß gebrannt, die Wege waren staubig und am Apurímac-Fluss weit unten im Canyon konnte man sich kaum eine Abkühlung gönnen, da dort zahlreiche Mosquitos lauerten. Die Höhenunterschiede, die täglich – sowohl ab- als auch aufwärts – zu überwinden waren und Pässe jenseits der 4000 m, haben ziemlich viel Kraft gekostet – nicht zu vergleichen mit dem touristischen Inka-Trail.
Und dieser Weg soll eine eindrückliche Erfahrung gewesen sein? Genau das – es aus eigener Kraft zu dieser Inka-Stätte zu schaffen – macht einen der Reize von Choquequirao aus. Kein Bus, kein Esel oder irgendein anderes Fortbewegungsmittel tragen einen zum Ziel. Lediglich die eigenen zwei Füße. Und es lohnt sich!
Choquequirao liegt auf einem hohen Plateau in der Provinz La Convencion. Der archäologische Komplex setzt sich bisher aus 9 architektonischen Gruppen zusammen, die alle aus Stein errichtet sind – ein System aus 180 Terrassen mit Wohnhäusern und Gebäuden für administrative und religiöse Zwecke sowie Bewässerungssystemen. Choquequirao (Chuqui K’iraw in Quechua) bedeutet die „Wiege des Goldes“. Durch die Steine, aus denen die zahlreichen Ruinen gebaut sind, welche von Weitem in der Sonne so aussehen, als würden sie wie Gold funkeln („false oro“ – falsches Gold auf spanisch), bekommt der Anlagekomplex teils den Anschein, als wäre er aus Gold errichtet. Die „hermana sagrada“ von Machu Picchu ist – zum Glück und gerade weil man nicht mit dem Auto bis an die Ruinen heranfahren kann – ein echtes Juwel in Peru.
Aber kurz etwas zu Machu Picchu (Quechua für "Alter Gipfel"), um zu verdeutlichen, was es mit Choquequirao auf sich hat: Machu Picchu am Ende unseres Trekkings in Peru war unglaublich beeindruckend. Gegen drei Uhr am Bus anstehen, damit man einer der ersten von offiziell maximal 2500 erlaubten Besuchern pro Tag sein kann, in der Hoffnung, dass sich hinter den Wolken ein Sonnenaufgang blicken lässt. Wir hatten Glück und wurden tatsächlich mit einem Sonnenaufgang belohnt, der sich durch den Nebel und die dichten Wolken zu so früher Stunde auf faszinierende Weise zeigte und die Ruinen in leicht rosarote Pastelltöne tauchte. So früh am Morgen (und ab ca. 14 Uhr wenn viele Touristen ihren Heimweg antreten) war es auch noch vergleichsweise leer auf Machu Picchu. Beindruckend war nämlich auch die Masse an Touristen, die im Laufe des Tages durch die Ruinen strömten – oft zusammen mit einer Reisegruppe den fest vorgegebenen Wegen der „Hauptattraktionen“ folgend. Ein bisschen wie in einem Freizeitpark.
Machu Picchu ist nun einmal für viele die Hauptattraktion in Peru und der Hauptgrund überhaupt dieses wunderbare Land zu besuchen: es ist eines der neuen 7 Weltwunder - ein Weltkulturerbe. Natürlich gibt es auch in Machu Picchu selbst zur Rush Hour stille Plätzchen, an denen man die Pracht dieser majestätischen Anlage erst einmal richtig auf sich wirken lassen kann.
Nichtsdestotrotz ist dies in keinem Maße mit der Ruhe und Einsamkeit in und der unberührten Natur um Choquequirao vergleichbar – und diese Einsamkeit hat sich jeder einzelne, der sich auf diesen mühsamen Wanderweg gemacht hat, redlich verdient. Ca. ein Drittel von Choquequirao ist bisher ausgegraben. Die verschiedenen zugänglichen Anlagen sind über eine sehr große Fläche verteilt, was die Erkundung selbst wieder zu einem kleinen Abenteuer macht. Zu den sogenannten Lamaterrassen muss man ca. eine Stunde stetig bergablaufen. Dort angekommen, befinden sich riesige Steinterrassen, in die steinerne Lamas gebaut wurden. Ein absolutes Highlight – und dies gilt für die gesamte Anlage von Choquequirao - ist die atemberaubende Landschaft der Berge und Canyons der Anden, diese unglaubliche Weite, die einen sprachlos macht. Tempel und Terrassen passen sich perfekt in die Natur ein. Insbesondere am frühen Morgen umhüllen die Wolken noch die Ruinen und sie lassen mit der Zeit immer mehr den Blick auf die faszinierende Landschaft frei werden und das zunehmende Sonnenlicht die Anlage in mystisches Licht tauchen.
Einen kleinen Eindruck von dem Weg nach Choquequirao, der Landschaft und seiner Magie sowie dem Weiterwandern bis nach Machu Picchu bietet euch ein Video des Reisebloggers Kosuke Haga.
In den letzten Jahren wurde in der internationalen Presse viel über die erschreckenden Folgen der Tourismusflut auf Machu Picchu berichtet: Gummimatten wurden zum Teil ausgelegt, um den Boden zu schützen, über den täglich tausende Wanderschuhe, High Heels oder Wanderstöcke (auch wenn sie offiziell in der Anlage verboten sind) trampeln. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass früher höchstens 300 Menschen in Machu Picchu gelebt haben und heute offiziell maximal 2500 Touristen – obwohl es in der Hochsaison leider auch deutlich mehr zu sein scheinen – über die Ruinen kraxeln. Die Steine, aus denen die Ruinen errichtet sind, halten dies nicht ewig aus, bekommen Risse, die sich wiederum mit Regenwasser füllen und das Gestein immer poröser machen. Langfristig wird dieser praktizierte Massentourismus diese einmalige historische Stätte wahrscheinlich zerstören. Mit diesem Bild im Hinterkopf hat es uns sehr nachdenklich gemacht, als wir erfahren haben, was es für Pläne für Choquequirao gibt.
Die Pläne rund um Choquequirao, mehr Touristen zu dieser geheimnisvollen Inka-Stätte zu bringen, gibt es schon seit längerem. Bislang wandern nicht einmal 500 Menschen im Monat (!) hierher. Im Vergleich dazu ist der bekannteste Wanderweg Perus – der Inka Trail, welcher direkt zu Machu Picchu führt – mittlerweile auf 500 Personen pro Tag (!) begrenzt worden. Für Choquequirao ist seit 2011 eine moderne geschlossene, ca. 5 km lange Seilbahn in der ernsthaften Diskussion, die die Touristenmassen durch die Wolken hindurch sicher über den Río Apurímac bringen soll. Die Fahrt soll ca. 15 Minuten dauern, direkt an der Fernstraße beginnen und erschreckenderweise in direkter Nähe zu den Ruinen enden. Da stellen sich doch so einige Fragen: Ist das Gestein dort überhaupt geeignet, um eine Seilbahn entsprechend zu befestigen, hält der Boden über einen längeren Zeitraum überhaupt den Massen an Personen stand? Wie wird sich das Leben der Menschen vor Ort verändern, wenn auf der anderen Talseite von Choquequirao ein Touristendorf mit "Hotelanalagen" und Restaurants in Planung ist und in der naheliegenden Stadt Abancay ein Flughafen gebaut werden soll? Werden viele Menschen der Hoffnung nach schnellem Geld folgen und ihre ursprünglichen Professionen, die meist in der Landwirtschaft liegen, aufgeben, um in den Tourismussektor zu wechseln?
Mehr Touristen – was genau stellen sich die Projektplaner darunter vor? Ich habe bisher verschiedene Berichte über die Pläne zu Choquequirao gelesen. Einige schreiben über ca. 200.000 Besucher im Jahr, einige von einer kontinuierlichen Erhöhung der Besucherzahlen in den ersten drei Jahren zu bis zu 3000 Personen pro Tag. Der regionale Präsident von Apurimac Elías Segovia Ruiz hat 2013 gesagt (Quelle: http://noticias.terra.com), dass es geplant ist mit 500.000 Besuchern pro Jahr anzufangen und es auf bis zu 2.500 Touristen pro Tag zu steigern. Dies würde der Besucherzahl von Macchu Picchu – die 2012 zum ersten Mal von über 1 Million Menschen besichtigt wurde – gleich kommen.
Noch einmal zur Verdeutlichung der enormen Zahlen, von denen hier die Rede ist: 2012 wurde Machu Picchu von mehr als 1,1 Mio. Menschen besucht – das sind mehr Touristen als die Gesamtanzahl an Menschen die folgende bemerkenswerten Orte 2012 in Peru gesehen haben: Ballestas Islands, Caral, Chan Chan, Chavín de Huántar, Choquequirao, Huaca del Sol y Luna, Kuélap, Moray, the Nazca-Linien, Pachacamac, das Paracas-Reservat und Tipón. All diese Sehenswürdigkeiten wurden 2012 von 1,067,369 Touristen besichtigt. Kein Wunder also, dass man in Peru ernsthaft über Ideen spricht, um den Ansturm auf Machu Picchu zu bändigen. Aber kann eine Erholungspause für Machu Picchu durch eine rücksichtslose und so immense Umverlagerung auf eine andere Inkastätte wie Choquequirao langfristig gelöst werden? Wäre nicht eine deutlich geringere Anzahl an erlaubten Besuchern der Ruinen von Choququirao und zudem eine nachhaltige Öffnung des Tourismus für andere unbekanntere Sehenswürdigkeiten in der Region wie den Wari Ruinen und dem Inka-Komplex Vilcashuamán in Ayacucho zu wünschen?.
Wir hoffen wirklich innigst, dass bei diesem Projekt der Verstand und nicht nur die Dollar-Noten überwiegen und Choquequirao nicht einfach bedenkenlos einer Masse von Touristen ausgesetzt wird, die diesem Ort sein Magie rauben werden.